Der erste Workshop "Arbeiten in der Schweiz" ist erfolgreich zu Ende gegangen. Die Leiterin Siv Lehman (S) und eine Teilnehmerin, Prasanna Lakshmi Dandigunta (P), berichten über ihre Erfahrungen. Gespräch und Foto: Theo Tschopp (T).

 

Prasanna Lakshmi Dandigunta (P)T: Prasanna, warum hast du dieses Angebot besucht?

P: Von einer Kollegin, einem Mitglied des Cultibo, habe ich von diesem Angebot gehört. In Zürich hatte ich bereits einen ähnlichen Kurs für qualifizierte Migrantinnen besucht. Wir haben gelernt, wie man in der Schweiz eine Bewerbung und einen Lebenslauf schreibt und wie man sich in einem Vorstellungsgespräch verhält. Ich habe mich danach beworben, aber ohne Erfolg, und so sagte ich mir, der Kurs in Olten ist sehr nah. Das wollte ich versuchen.

T: Siv, warum hast du diesen Kurs erteilt?

S: Die Idee kam eigentlich von Timna. Sie wurde von Leuten angesprochen, die beruflich Fuss fassen wollten. Da bin ich mit ihr zusammen gesessen. Ich bin frühpensioniert, habe Zeit und Ideen. Als ehemalige Gewerkschaftssekretärin bin ich mit der Arbeitswelt vertraut. In den Ferien habe ich dann den Kurs vorbereitet, hatte aber bloss die Namen der fünf Teilnehmerinnen und wusste sonst nichts über ihre Vorbildung oder ihre Erwartungen. Ich habe dann Schritt für Schritt zusammen mit ihnen den Kurs weitergestaltet. Sie wussten, es war ein Pilotkurs. Es hat uns allen Spass gemacht und wir haben viel gelernt. Es war klar, dass es nicht direkt um Jobvermittlung ging. Gefragt war Eigenaktivität. Ich gab die nötigen Anregungen und Informationen und wies auf weitere Informationsquellen hin. Es ging also um Hilfe zur Selbsthilfe. Ich hatte es mit sehr intelligenten Frauen zu tun, und sie haben alle aktiv mitgemacht. Es war das Beste, was ich mir erhoffen konnte. Der Kurs war in sieben Schritte eingeteilt, zu je zwei bis drei Stunden. Es gab für alle viel zu tun, auch Hausaufgaben. Hauptziel war die Eigenaktivität der Teilnehmerinnen.

T: Verstehe ich das richtig? Es ging also vor allem um das WIE? Wie gehe ich vor, wenn ich Arbeit suche?

S: Genau, aber es ging auch um das WAS. Die Teilnehmerinnen mussten sich über einige Fragen Klarheit verschaffen. Will ich eine Berufsarbeit? Muss ich Geld verdienen? Geht es mir um eine ehrenamtliche Tätigkeit? Muss ich vielleicht zuerst besser Deutsch lernen? Es ging also zuallererst um eine Standortbestimmung. Frauen sind mit Dreissig, nach einer Kinderpause, anders motiviert, als wer gleich nach dem Studium aus dem Ausland in die Schweiz kommt. Fast immer ist ein Neuanfang nötig. Es kann schmerzhaft sein zu erkennen, dass das eigene Studium in der Schweiz nicht den gleichen Stellenwert hat wie in der Heimat. Flexibilität und Offenheit sind also immer gefragt!

P: Wir haben im Kurs jede Woche an einem Schritt gearbeitet. Das war für unsere Selbstanalyse sehr nützlich. Nach meinem Kurs in Zürich war ich nicht frustriert, obwohl ich keine Arbeit gefunden habe. Mir war es vor allem wichtig, etwas zu tun. Der Kurs hat mir trotzdem sehr geholfen. Die Teilnehmerinnen waren sehr gebildet, hatten viele Ideen und sahen verschiedene Möglichkeiten, nicht nur ihren Beruf betreffend. Ich selbst habe einen Bachelor in Biologie gemacht. Dann habe ich geheiratet und bin in die Schweiz gekommen. Vor vier Jahren habe ich ein Fernstudium in Business Administration gemacht, alles in Englisch.

T: Prasanna, das sind sehr interessante, für mich ganz neue Informationen. - Siv, du hast diesen Kurs rollend geplant. Du hast ihn aber auch klar strukturiert. Könntest du die sieben Schritte aufzählen?

Siv Lehmann (S)S: Gern. Es sind

1. Standortbestimmung 2. Recherchieren 3. Selektionieren 4. Ziele formulieren 5. Weg bestimmen 6. Optimale Ausgangslage schaffen 7. Realisieren

Aus dem Kurs sind dann zwei konkrete Projekte hervorgegangen: "Wanderungen rund um Olten" (s. Programm CULTIBO) und zwei Teilnehmerinnen planen jetzt einen Computer-Workshop. Es ging also nicht nur um Lohnarbeit. Auch ehrenamtliche Tätigkeiten gehören dazu. Ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft funktioniert nur dank unbezahlter Arbeit, Hausarbeit, Kindererziehung, Altenpflege, Weiterbildung, Arbeit im Quartierzentrum. Arbeiten ist viel mehr als ein Job. Wichtig ist, dass man seine Fähigkeiten einbringen kann, im Job oder anderswo. Es gibt nicht einfach den schnurgeraden Lebenslauf. Oft verläuft das berufliche Leben im Zickzack. Man muss erst mal irgendwie aktiv werden, dann ergibt sich etwas, man erhält Anregungen, und plötzlich hat man einen Job. Wir entwickeln uns dauernd. Jede Frau hat viele Interessen. Daraus eine Tätigkeit oder einen Job zu machen, das ist die Kunst!

P: Der Kurs hat mir persönlich sehr viel gebracht. Siv hat für mich eine Tandempartnerin für Schweizerdeutsch gefunden. Wir haben das Projekt Computer-Workshop entwickelt, machen zusammen Nordic Walking. Ich habe viele neue Dinge gelernt. Die Kursleiterin ist sehr wichtig. Siv ist sehr motiviert. Sie hat sehr viel vorbereitet, viele Bücher mitgebracht.

T: Siv hat da ein sehr modernes Konzept von Arbeit. Wie siehst du das von deiner Kultur her, Prasanna?

P: Ja, das war meine erste Frage. Siv hat uns erzählt, wie viele Berufe sie schon ausgeübt hat. Das ist in unserer Kultur ganz anders. Wenn du Mathematik studiert hast, dann bist du eben Ingenieur oder so, und es gibt keinen anderen Weg. Hier ist das ganz anders. Das war neu für mich. Und deshalb wollte ich auch etwas Neues ausprobieren.

T: Siv, wie sieht deine Bilanz aus?

S: Ja, der Kurs hat mir viel Spass gemacht. Ich habe viele Komplimente erhalten. Und es hat schon Anmeldungen für den nächsten Kurs. Zum Abschluss habe ich meinen Frauen noch folgende Frage gestellt: Was würde ich einer Interessentin über den Kurs sagen? Und das waren die Feedbacks: "Du lernst viel. Du musst dein Deutsch verbessern. Du bekommst gute Infos. Dein Selbstbewusstsein wird gestärkt. Du bekommst Anstösse und Ideen. Du bekommst keinen Job, aber die Kursleitung gibt Ideen für die Jobsuche."

T: Das ist ein schöner Abschluss. Ich danke euch für das Gespräch.

Das Interview wurde am 20.10.2015 im CULTIBO geführt.

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